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Poljot 24

Wer russische Uhren sammelt, braucht zuverlässige Bezugsquellen. Davon gibt es nicht allzu viele in Deutschland. Zu den ersten Adressen gehört seit über zwanzig Jahren Julian Kampmann mit Poljot24.de. Die Uhrengourmet-Redaktion besuchte den Uhren- und Oldtimer-Liebhaber in München, ließ sich einige seiner aktuellen Bestseller zeigen und nahm die Favoriten unter die (Uhrmacher-)Lupe. Der schon in jungen Jahren stark Uhren-affine Julian Kampmann hatte eine klare Vorstellung von seinem neuen Zeitmesser: Es sollte ein Armbandwecker sein, also eine Uhr für’s Handgelenk, die nicht nur die Zeit anzeigt, sondern zu einem vorher eingestellten Zeitpunkt einen schnarrenden Alarm ertönen lässt.

Dass die Suche nach einem solchen Armbandwecker letztlich den Grundstein für seinen späteren Beruf legen sollte, ahnte Kampmann freilich noch nicht. Der Wecker als Komplikation einer mechanischen Uhr war schon damals nicht weit verbreitet. Aber es gab immerhin bereits seit vielen Jahren die Klassiker in dieser Kategorie. Als da wären: die „Cricket“ von Vulcain, die „Memovox“ von Jaeger Le Coultre, die Omega Memomatic und die wenig bekannte „Bell-Matic“ von Seiko. Später setzten auch andere Marken auf diese Komplikation, wie zum Beispiel Fortis, für die der legendäre Schweizer Uhrenkonstrukteur Paul Gerber einen Chronographen mit Wecker schuf.

Skelettuhr-Nicolai-II
Skelettuhr-Nicolai-II

Für den jungen Julian Kampmann hatten all diese Modelle aber einen entscheidenden Nachteil – sie waren viel zu teuer. Daher griff er sofort zu, als er einen russischen Armbandwecker der Marke Poljot zu einem damals äußerst günstigen Preis erwischte. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden diese Uhren auch im Westen zunehmend beliebter, und zwar nicht nur wegen des Preises. Im Inneren der Armbandwecker aus Russland ticken nämlich Werke des Poljot-Kalibers 2612.1, das technisch im Wesentlichen auf den Plänen des Schweizer AS-Kalibers 1475 basiert, das als das meistgebaute und zuverlässigste Wecker-Werk seiner Zeit galt.

Erst „Flohmarkt-Zwiebel“, dann Leckerbissen

Doch schon bald stellte Kampmann fest, dass russische Uhren im Allgemeinen und Armbandwecker im Besonderen immer teurer wurden. Im Vergleich mit Zeitmessern aus der Schweiz handelte es sich zwar weiterhin um ausgesprochene Schnäppchen, doch trat allmählich der „Swatch-Effekt“ ein: Dank einer internationalen, stark wachsenden Sammlergemeinde stieg die Nachfrage rapide, was naturgemäß höhere Preise zur Folge hatte.

Poljot-Ozean
Poljot-Ozean

Für Sammler und Uhrenliebhaber stellten freilich nicht vorrangig die steigenden Preise das entscheidende Problem dar, sondern die bisweilen etwas obskuren Vertriebswege. Es war die Zeit, als gestandene Uhrenfreunde Zeitmesser aus Russland verächtlich als „Flohmarkt-Zwiebeln“ zu bezeichnen pflegten. In der Tat konnte man auf den einschlägigen Märkten manche Poljot günstig erwerben, doch musste man auf Gewährleistung und Service verzichten. Oft handelte es sich zudem um Uhren in schlechtem Erhaltungszustand und von zweifelhafter Provenienz.

Was seinerzeit im Westen weitgehend fehlte, waren seriöse Händler, bei denen man russische Uhren von geprüfter Qualität und mit entsprechender Garantie erwerben konnte. Händler, die auch dann noch für ihre Kunden da sind, wenn Reparaturen oder Revisionen anfallen.

Julian Kampmann erkannte diese Marktchance, machte sein Hobby zum Beruf und gründete 1992 „Poljot24.de“. Seither verkauft er über das Internet weltweit mechanische Uhren aus Russland. „Flohmarkt-Zwiebeln“ sind nicht darunter, dafür aber manche Raritäten und gesuchte Leckerbissen der hohen russischen Uhrmacherkunst. „Die Qualität der hochwertigen russischen Uhren kann sich durchaus mit westlichen Produkten aus Deutschland und der Schweiz messen – allerdings zu einem Bruchteil des entsprechenden Preises“, verspricht Kampmann, den wir in seinem Münchner Büro besuchten, wo viele Kunden die Objekte ihrer Begierde direkt erwerben. „Mittlerweile spielt aber das internationale Geschäft eine zunehmend wichtigere Rolle für meinen privaten Uhrenvertrieb. Man soll es nicht glauben: Hier gehen sogar Bestellungen aus Russland ein. Die Kunden bekommen in ihrer Heimat einfach nicht mehr die gesuchten Modelle“, berichtet Kampmann über seinen unternehmerischen Erfolg.

Karo-Shorokhoff
Karo-Shorokhoff

Raritäten aus dem Hause Shorokhoff

Zu den erwähnten Leckerbissen gehören ohne Frage die Uhren der in Nordbayern ansässigen Manufaktur Alexander Shorokhoff (siehe Beitrag unter dem Menüpunkt „Nobelticker“). In diesen Uhren ticken überwiegend historische, nur noch in geringen Stückzahlen erhältliche Werke, die in Deutschland technisch aufbereitet und aufwändigst verziert werden. Kampmann vertreibt die Shorokhoff Modellreihe „Vintage“. Diese Uhren gibt es nur direkt bei Shorokhoff im Internet oder eben bei Julian Kampmann.

Aktueller Bestseller ist das Vintage 4-Modell „Karo“ mit dem Automatikwerk Poljot 2627. Charakteristisch für dieses dem Slava-Kaliber sehr ähnliche Werk ist ein von außen zu bedienender Drücker für die Schnellverstellung des Datums. Das Saphirglas auf der Rückseite gibt den Blick frei auf ein atemberaubend schönes, handgraviertes und veredeltes Werk. Die Uhr ist mit silbernem und schwarzem Zifferblatt erhältlich und kostet (noch) 999 Euro. Wie zu hören ist, könnte der Preis bald steigen.

Alexander Shorokhov steht auch hinter den Marken Poljot International und Basilika. Diese Uhren werden in Deutschland gefertigt, „haben aber eine russische Seele“, wie Alexander Shorokhov erklärt. Russische Uhrmachertradition vom Feinsten werde mit deutscher Präzision gepaart. Das interessanteste Modell ist sicherlich der Poljot International Basilika Tourbillon mit Doppelfederhaus und Gangreserve. Das Tourbillon mag – prosaisch betrachtet – im Alltag absolut überflüssig sein, es ist jedoch unbestritten die Königsklasse der Uhrmacherkunst. Julian Kampmann hat diese auf 100 Stück limitierte Uhr in seinem Angebot. Der reguläre Preis beträgt 2650 Euro. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags waren noch wenige Exemplare dieser Uhr zu einem äußerst attraktiven Sonderpreis von 1890 Euro erhältlich.

Exoten mit kyrillischer und chinesischer Beschriftung
Strela Chrono Kyrillis
Strela Chrono Kyrillis

Russische Uhren sind bekannt für ihre facettenreiche Modellvielfalt. Auch im Münchner Büro von Julian Kampmann kann man eine große Zahl ganz unterschiedlicher Modelle betrachten, in die Hand nehmen – und sich in das eine oder andere verlieben. Zu den Favoriten des Autors gehört neben dem Tourbillon und der Vintage-Karo der legendäre Strela Chronograph mit kyrillisch beschriftetem Zifferblatt (auch in lateinischer Beschriftung erhältlich). Das klassische Modell mit einem Durchmesser von 38 Millimetern schien für kräftigere Handgelenke etwas klein. Umso erfreulicher, dass es diese Uhr nun mit einem größeren Gehäuse (42 Millimeter) gibt. Der Preis liegt bei 665 Euro.

Ebenfalls mehr als nur ein Hingucker ist der Poljot Ozean Chronograph, detailgetreu seinem legendären Vorbild aus den 1980er Jahren nachgebaut. Im Inneren dieser auf 300 Stück limitierten Uhr tickt das Poljot-Kaliber 3133 (Preis: 645 Euro).

Tourbillon-von-Poljot
Tourbillon-von-Poljot

Die im Augenblick zu einem Aktionspreis von 325 Euro erhältliche Poljot International Zar Nicolai II lädt gleichsam dazu ein, „mit den Augen spazieren zu gehen“. Die skelletierte Uhr mit vergoldetem Edelstahlgehäuse (Durchmesser 48 Millimeter) zählt optisch sicher zu den außergewöhnlichsten Zeitmessern im aktuellen Angebot von Julian Kampmann.

Bevor wir uns verabschiedeten, zeigte uns Kampmann ein Modell, das es in einem reinen Vertrieb für russische Uhren strenggenommen gar nicht geben dürfte: die chinesische Luftwaffenuhr Seagull 1963. „Vor ein paar Jahren entdeckte ich am Handgelenk eines aus China kommenden Kunden diesen Zeitmesser, der mich auf Anhieb begeisterte. Ich habe deshalb alle Mühen und bürokratische Formalitäten auf mich genommen, um diese Uhr exklusiv zu importieren und meinen Kunden anzubieten“, berichtet Kampmann.

Der Seagull „1963“ Schaltradchronograph ist ein offizielles Remake der historischen Luftwaffenuhr aus dem Jahr 1963. Das eingebaute Kaliber ST19 ist absolut baugleich mit dem bekannten Kaliber Venus 3017. „Wer sich ein wenig auskennt, weiß, dass Seagull hervorragende Qualität und keine billige Massenware produziert“, sagt Kampmann. Und für manchen dürfte es ja einen zusätzlichen Reiz bergen, mal eine Uhr mit kyrillischen, mal mit chinesischen Schriftzeichen am Handgelenk zu tragen.

poljot24.de

Bilder: Poljot 24