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Fliegeruhren

Nicht nur Piloten tragen sie gern am Handgelenk. Ihr sportliches Design, ihre Robustheit und manche spannende Geschichte aus der Frühzeit der Fliegerei machen sie zu Bestsellern unter den Zeitmessern.

Wenn es einen Namen gibt, der den Freunden außergewöhnlicher Zeitmesser sofort einfällt, wenn es um Fliegeruhren geht, dann ist es die Frankfurter Pilotenlegende Helmut Sinn. Er war Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg, später Pilot aus Leidenschaft und Fluglehrer.

Als Unternehmer gründete er die Firma Sinn in Frankfurt und übernahm nach deren Verkauf als Deutschlands ältester Jungunternehmer vorübergehend den Uhrenhersteller Guinand. Seine Fans – und davon gibt es viele – nennen ihn den „schnellen Helmut“, weil er nicht nur als Pilot unterwegs war, sondern auch als Rallyefahrer.

Als Helmut Sinn im Herbst vergangenen Jahres seinen 100. Geburtstag feierte, brachte Guinand ihm zu Ehren den Chronographen „HS 100“ auf den Markt. Die auf 100 Exemplare limitierte Fliegeruhr „war schon nach wenigen Tagen ausverkauft“, freut sich Matthias Klüh, der vor einiger Zeit den Uhrenhersteller Guinand vom „schnellen Helmut“ übernommen hat.

„Uhrenläden“ in der Pilotenkanzel

So ist das eben mit den Fliegeruhren. Die inzwischen längst nicht nur männlichen Liebhaber dieser Zeitmesser wünschen sich nicht nur ein markantes Design und besondere technische Features, sondern auch prickelnde Storys von tollkühnen Männern in fliegenden Kisten. Viele Fliegeruhren umweht ein Hauch von Abenteurertum, erinnern an Zeiten, als die Cockpits wegen der vielen runden Anzeigeinstrumente oft als „Uhrenläden“ bezeichnet wurden und Touchscreens noch weitgehend unbekannt waren.

Breitling Navitimer
Breitling Navitimer

Wer in den 1960er-Jahren eine Flugreise nach New York antrat, begab sich in vielen Fällen an Bord einer vierstrahligen Boeing 707, damals das Nonplusultra in Sachen Langstecken-Fliegerei. Was jedoch kaum einer wusste: Im Cockpit des Langstreckenjets tickte Schweizer Uhrmacher-Know-how. Es war eine Breitling-Wakmann, die den Piloten die Zeit anzeigte.

Heute gehört die Stil-Ikone Breitling Navitimer zu den bekanntesten und beliebtesten Fliegeruhren. Entwickelt wurde dieses Modell allerdings nicht von einem Piloten, sondern von dem Mathematiker Marcel Robert, der auf die Idee kam, einen kreisförmigen Rechenschieber in die Armbanduhr zu integrieren. Mithilfe der logarithmischen Rechenscheibe ist es möglich, Flugdistanzen zu kalkulieren.

Beinahe alle führenden Hersteller haben Zeitmesser im Sortiment, die mit der Luft- und Raumfahrt zu tun haben – und sei es auch, in ihrer archaischen Form. Die Navigationsuhr Lindbergh von Longines etwa ist ein Referenzerweis an den Pionier des transatlantischen Flugverkehrs. Die „Moonwatch“ mit dem legendären Lemania-Werk Kaliber 2310, die am Handgelenk von Neil Armstrong tickte, als dieser im Jahr 1969 als erster Menschen den Mond betrat, ist bis heute ein begehrtes Sammlerstück. Zu den gesuchten Klassikern unter den Fliegeruhren gehört ferner die Mark XI von IWC, einst die Fliegeruhr der Royal Air Force. Kultstatus genießt mittlerweile auch die Große Fliegeruhr von IWC, von der die Manufaktur in Schaffhausen im Jahr 2002 ein Nachfolgemodell lancierte.

Dienstuhren für die Luftwaffe

Vom deutschen Hersteller Tutima stammt der Military Chronograph, in dem ebenfalls ein Lemania-Werk tickt, und damit die offizielle Dienstuhr der Luftwaffenpiloten. Mittlerweile brachte die Manufaktur, die jahrelang in Ganderkesee bei Bremen angesiedelt war und nun wieder im sächsischen Uhren-Mekka Glashütte zu Hause ist, das Nachfolgemodell M2 auf den Markt. Rolex präsentierte vor ziemlich genau einem Jahr auf der Baselworld 2016 eine Neuauflage seiner Fliegeruhr „Air King“. Und vor allem bei der jüngeren Zielgruppe begehrt sind die Uhren der Marke Bell & Ross. Deren quadratische Modelle mit rundem Zifferblatt sind den Instrumenten in (älteren) Flugzeugen nachempfunden. Der deutsche Hersteller Fortis bietet mit der B-42 Chronograph Alarm einen Fliegerchronographen mit Weckerfunktion und mit dem Fortis Official Cosmonaut Chronograph einen Weltraum-Chronographen. Die Luxusuhren-Manufaktur Zenith (Louis Vuitton Hennessy Gruppe) stellt schließlich mit dem El Primero Stratos Flyback Striking 10th Chronograph eine Uhr her, die der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner im Oktober 2012 bei seinem Sprung aus der Stratosphäre trug.

Simone-Richter
Simone-Richter

Auch preisgünstigere Marken haben Uhren im Flieger-Design im Sortiment, wie zum Beispiel Laco (Pforzheim), Zeno Watch (Basel), Steinhart (Stadtbergen bei Augsburg) sowie Aristo (Pforzheim) mit der Serie „Messerschmidt“.

Cartier machte den Anfang

Die erste Armbanduhr für Piloten fertigte Louis Cartier Anfang des 20. Jahrhunderts für den brasilianischen Piloten und Flugzeugkonstrukteur Alberto Santos Dumont. Der Motorflugpionier wünschte sich einen auch nachts gut ablesbaren Zeitmesser. Die Santos ist bis heute ein führendes Modell des inzwischen zum Richemont-Konzern gehörenden Luxusgüter-Herstellers Cartier. Die charakteristischen Design-Merkmale der Santos – die abgerundeten Ecken des Zifferblatts und die markanten Schrauben auf der Lünette – blieben erhalten, obgleich die Santos heute eher an eine Schmuck- denn an eine Pilotenuhr gemahnt.

Zu den Charakteristika einer klassischen Fliegeruhr gehören „traditionelle Gestaltungsmerkmale, wie zum Beispiel eine klare Ablesbarkeit und eine deutliche dreieckige 12-Uhr-Markierung“, weiß Simone Richter. Die Marketing- und Kommunikationschefin von Sinn Spezialuhren in Frankfurt fügt hinzu: „In der Praxis sind aber auch eine Unterdrucksicherheit bis 0,2 bar, was einer Flughöhe von 12.000 Metern entspricht, und eine sehr gute allgemeine mechanische Stabilität wesentlich.“ Sinnvoll erscheint darüber hinaus ein Schutz der Uhr gegen Magnetisierung.

Die klassischen Fliegeruhren haben zwei Gesichter. Bei den Modellen der Baureihe A sind die Stundenzahlen in gewohnter Weise rund um das Zifferblatt angeordnet, das deshalb einen eher schlichten und „aufgeräumten“ Eindruck macht. Bei den Fliegeruhren der Baureihe B bleibt der äußere Rand des Zifferblatts den Minuten vorbehalten, die Stundenmarkierungen befinden sich in einem Kreis in der Mitte des Zifferblatts.

Neuer technischer Standard für Fliegeruhren

Auf Initiative des Frankfurter Herstellers Sinn entwickelte die Fachhochschule Aachen im Jahr 2012 einen technischen Standard für Fliegeruhren (Testaf). Er mündete im vergangenen Jahr in die Industrienorm DIN 8330. „Fliegeruhren müssen die vorgeschriebenen Instrumente zur Zeitmessung an Bord eines Flugzeugs bei Ausfall oder Störungen ersetzen können“, erläutert Professor Frank Janser von der Fachhochschule Aachen den Hintergrund dieser Standardisierung. Für Taucheruhren gibt es ähnliche Vorgaben schon seit Langem.

Neben Sinn bietet auch Stowa – ebenfalls ein klassischer und traditionsreicher Hersteller von Fliegeruhren – mit dem Modell Testaf 01 einen Zeitmesser, der diesen neuen Standards entspricht. Die Marke Stowa, die seit mehreren Jahren Jörg Schauer gehört und ihren Sitz in Engelsbrand in der Nähe von Pforzheim hat, stellte bereits im Zweiten Weltkrieg offizielle Fliegeruhren her (siehe Info-Kasten „Fliegeruhren als Investment“).

Bleibt die Frage, ob man(n) solche Uhren überhaupt braucht. Immerhin gibt es in Deutschland und in den Nachbarstaaten mehr Besitzer von Fliegeruhren als Piloten. Den meisten Freunden von Flieger- und Taucher-Uhren geht es aber um etwas ganz anderes: Sie wünschen sich für den Alltag eine robuste Uhr mit markantem Design und guter Ablesbarkeit auch im Dunkeln. Wenn dann noch eine spannende Geschichte von tollkühnen Piloten dahintersteckt – umso besser.

Info: Fliegeruhren als Investment

Wer im Besitz einer klassischen, gut gepflegten Fliegeruhr ist, darf sich freuen. Für diese Zeitmesser zahlen Sammler heute hohe vierstellige Preise. Vor allem Originale aus den 1930er- und 1940er-Jahren sind sehr begehrt. Für eine Stowa B-Uhr aus dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel musste man Anfang 2017 zwischen 6.500 und 7.000 Euro zahlen, je nach Erhaltungszustand etwas mehr oder weniger.

Sinn EZM10

Zu den deutschen Klassikern gehören fünf Fabrikate mit speziellen Kalibern (Uhrwerken), die seinerzeit vom Reichsluftfahrtministerium spezifiziert wurden. Dabei handelt es sich um folgende Zeitmesser:

  1. Lange & Söhne Fliegeruhr mit dem Kaliber 48/1
  2. Laco Fliegeruhr mit Durowe-Kaliber D5
  3. Stowa Fliegeruhr mit dem Unitas-Kaliber 2812
  4. Wempe Fliegeruhr mit dem Thommen-Kaliber 31
  5. IWC Fliegeruhr mit dem Kaliber 52 und Zentralsekunde

Kultstatus genießen auch die Fliegeruhren der Schaffhausener Manufaktur IWC. Bereits im Jahr 1935 baute das von dem Amerikaner Florentine Ariosto Jones gegründete Unternehmen eine erste Fliegeruhr mit Drehlünette. Im Jahr 1940 folgte die „Große Fliegeruhr“. Besonders gefragt (und teuer) sind die alten „Mark“-Modelle von IWC.

Kaum bekannt außerhalb von Sammlerkreisen sind schließlich die Fliegeruhren des Schweizer Herstellers Omega. Das Unternehmen stellte ab den 1930er-Jahren Fliegeruhren sowohl für die britische Royal Air Force als auch für die Deutsche Luftwaffe her. Für die sehr seltene Fliegeruhr mit Drehlünette und dem Kaliber 26.5 SOB aus dem Jahr 1935 muss man heute ebenfalls einen hohen vierstelligen Betrag investieren. Von den alten Breitling Navitimern sind vor allem die Modelle mit dem Valjoux-Kaliber 72 interessant.

Bilder: Sinn/Breitling/Stowa/Pantermedia