Auf dem Uhrmachertisch liegen Zeitmesser aus den besten Häusern und mit imageträchtigen Signaturen. Rolex, Breitling, sogar die bei Sammlern sehr begehrte TAG Heuer Monaco Steve McQueen. Wenn man sich umdreht, entdeckt man auf einem anderen Tisch mehrere Stutz- und Kommodenuhren. „Nur Standuhren habe ich derzeit nicht in meiner Werkstatt. Aber das kann sich schon kurzfristig ändern“. Armin Mantei, Juwelier und Uhrmachermeister in Itzehoe bei Hamburg, gibt seinen Kunden ein klares Versprechen: „Ich repariere jede Uhr“. Doch nicht nur das: Mantei fertigt unter seinem Namen eine kleine, aber feine Kollektion von Unikat-Uhren. Wir besuchten ihn in seiner Werkstatt.
Manteis Uhrmacher-Atelier und das gemeinsam mit seiner Frau betriebene Juweliergeschäft - beides reichte eigentlich aus für ein erfülltes Berufsleben. Doch nach Feierabend und an Wochenenden wird aus dem Uhrmachermeister ein Uhren-Bauer. Armin Mantei fertigt nämlich in aufwändiger Handarbeit außergewöhnliche Unikate, die zunächst als Skizzen auf Papier entstehen. Jede Mantei-Uhr gibt es tatsächlich nur einmal. Und zumindest ebenso exklusiv muten die Zifferblattgestaltung und die Verzierung der Werke an, die in den Zeitmessern aus Itzehoe ticken. Zwischen 2.000 und 6.000 Euro muss man investieren, wenn man eine solche Uhr besitzen möchte. Dafür ist die Chance, jemals einen Uhrenfreund zu treffen, an dessen Handgelenk dasselbe Modell tickt, gleich null. „Ich fertige nur echte Unikate, keine limitierten Pseudo-Unikate“, verspricht Armin Mantei.
Auch ihn selbst darf man mit Fug und Recht als ein Unikat bezeichnen, bei dem Beruf und Hobby eine harmonische Liaison eingegangen sind. Daraus entstehen oftmals Spitzenleistungen. Doch wer weiß, vielleicht hätte der junge Armin Mantei einen ganz anderen Beruf ergriffen, hätte nicht dem damals 14jährigen eine Großtante einen Wecker geschenkt. Matei nutzte ihn freilich nicht, um sich beizeiten mehr oder weniger sanft aus dem Schlaf wecken zu lassen, ihn interessierte vielmehr das Innenleben dieser Uhr. „Ich habe diesen Wecker mit Wonne zerlegt, war fasziniert von dem, was da an unterschiedlichsten Metallteilen zu finden war. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich einen klaren Berufswunsch: Ich wollte unbedingt Uhrmacher werden“.
Der Uhrmacher für die Leute aus der Region
Gut zwei Jahre später begann er, dieses Vorhaben konsequent umzusetzen. Bei einem Uhrmachermeister in Stralsund in der damaligen DDR absolvierte Mantei zunächst eine Lehre, anschließend sammelte er als Uhrmacher umfangreiche Erfahrungen: „Ich habe schon damals alles repariert, was mir unter die Uhrmacher-Lupe kam. Auch die sogenannten ‚West-Uhren’, an die sich in der damaligen DDR keiner heran traute“, erinnert sich Armin Mantei. Er blickt gern in diese Zeit zurück, als er der Uhrmacher für die Leute aus der Region war, der Tag für Tag von außerhalb mit dem Moped anreiste und so manchem Zeitmesser mit Macken wieder neues Leben einhauchte.
Nach der Wende indessen musste sich Armin Mantei vorübergehend neu orientieren. Sein bisheriger Arbeitgeber geriet in die Insolvenz – und gleichwertigen Ersatz zu finden, erwies sich als äußerst schwierig. Mantei machte aus der Not eine Tugend. Er arbeitete fast ein Jahr bei einem Drechsler: „Rückblickend betrachtet, sicher eine bemerkenswerte Fügung. Denn seither bin ich in der Lage, Uhrengehäuse selbst zu restaurieren und kann dem Kunden Service aus einer Hand bieten“, sagt Armin Mantei.
Irgendwann Ende der 1980er Jahre entdeckte dann seine Frau eine interessante Stellenanzeige, die eine echte Herausforderung verhieß: Matthias Naeschke im württembergischen Haigerloch suchte einen kreativen Uhrmacher mit viel Erfahrung. Liebhabern von feinen Uhren braucht man den Namen Naeschke nicht zu erklären. In der Werkstatt des Familienbetriebs entstehen Stand- und Tischuhren der Extraklasse, außerdem Spiel- und Flötenuhren, die mit ihren zarten Melodien schon mal das enge Gässchen im mittelalterlichen Haigerloch verzaubern, sofern das Werkstattfenster offen steht. „Herr Naeschke und ich waren uns schnell einig, und ich arbeitete über acht faszinierende Jahre in seiner Werkstatt. Er hat die Uhren konstruiert, ich habe sie hergestellt“, erinnert sich Armin Mantei. Darunter seien viele Jahresuhren gewesen, also Großuhren, die nur einmal im Jahr aufgezogen werden müssen und ansonsten zuverlässig und äußert präzise ihren Dienst verrichten. „Es war ohne Frage eine sehr anspruchsvolle Arbeit, zumal wir alle Räder, Triebe, Lager und Platinen selbst hergestellt haben“, berichtet Mantei. Über 50 Flötenuhren habe er in seiner Zeit bei Naeschke gebaut oder restauriert. Und da er damals unweit von Pforzheim arbeitete, legte er dort noch gleich seine Meisterprüfung ab.
Sein Meisterstück ist allerdings nicht mehr in seinem Besitz. Dafür gibt es eine äußerst plausible Erklärung. Zum einen strebte Armin Mantei danach, selbstständig zu arbeiten und seine Ideen umzusetzen, zum anderen zog es das Ehepaar nach über acht Jahren in Württemberg zurück in den Norden. Wiederum durch einen Zufall wurde Mantei auf einen Juwelier in Itzehoe aufmerksam, der seinen Rückzug in den Ruhestand plante. „Wir waren uns rasch handelseinig. Ich verkaufte einige meiner Uhren, darunter mein Meisterstück, um über das nötige Startkapital zu verfügen. Den Rest finanzierte ich mit Krediten der Sparkasse gleich in der Nähe meines Geschäfts. Das war damals kein Problem. Endlich war es soweit, ich konnte zum 1. Januar 1999 meinen Traum von der Selbstständigkeit verwirklichen“, blickt Mantei zurück.
Zunächst machte er sich wieder einen Namen als erfahrener Uhrmachermeister, der sich an wirklich alles heran traut, was tickt. Auch der Juwelierladen mit Schmuck und Uhren von Marken im mittleren Preissegment lief anfangs ganz erfreulich. Doch mit einem Schlag drohte alles anders zu werden. „Die Terroranschläge vom 11. September 2001 hatten katastrophale Folgen für das gesamte Luxusgütersegment. Zwar erholte sich der Markt bald wieder, aber der Einbruch war erheblich“, denkt Armin Mantei an eine schwierige Phase nach seiner Existenzgründung zurück. Durch gezielte Werbung und eine recht geschickte Pressearbeit gelang es dem Juwelier und Uhrmachermeister, diese turbulente Zeit zu überstehen. Er hatte sich in Itzehoe und Umgebung mittlerweile einen Namen gemacht, und während das tägliche Geschäft wieder recht erfreulich lief, plante Mantei mit viel Verve seine eigene Uhrenkollektion.
Mit individuellen Uhren in die Selbstständigkeit
„Es waren von Anfang an sehr individuelle und persönliche Uhren. Wenn ich eine Idee habe, dann möchte ich sie so umsetzen. Eigentlich würde ich meine Uhren am liebsten alle selbst tragen. Aber natürlich freue ich mich, wenn meine Ideen auch anderen Freunden ausgefallener Zeitmesser zusagen und sie sich eine Matei-Uhr zulegen“, sagt der Uhrmachermeister.
CNC-Maschinen sucht man in seiner kleinen Werkstatt hinter dem Juweliergeschäft vergeblich. Armin Mantei setzt auf Handarbeit und hat nur jene Maschinen, die notwendig sind, um sehr individuelle Zeitmesser herzustellen. „Alle Zeiger, Zifferblätter und Lünetten fertige ich in Handarbeit. Nur die Gehäuse kaufe ich zum Teil in der Schweiz ein“, berichtet der Uhrenbauer. Bis ein solch extravaganter Zeitmesser fertig ist, vergehen zwischen 25 und 50 Arbeitsstunden. Wird das Uhrwerk aufwändig verziert, kann es erheblich länger dauern.So vielseitig wie seine Ideen sind die von Mantei verwendeten Materialien. Edelstahl, Silber, Gold, Holz oder auch Kombinationen – alles ist möglich. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die Mantei-Uhren in Sterlingsilber-Gehäusen, die man in dieser Form wohl bei keinem zweiten Hersteller findet. Die klassische Uhrenindustrie könne so individuelle Modelle nicht produzieren, es sei denn für einen wahnsinnig hohen Preis, sagt der Uhrmachermeister. Zur Einzigartigkeit von Manteis Unikat-Uhren gehört nicht zuletzt, dass jedes Modell ganz besondere Zeiger bekommt. Sie entstehen zuerst als Ideenskizze auf dem Papier, später werden sie in akkurater Handarbeit hergestellt. Angetrieben werden die Uhren aus Itzehoe von Schweizer Eta-Werken, die Mantei aufbereitet und teilweise modifiziert. Vor allem von der Qualität des Automatikwerks Eta-2824 ist Mantei angetan. Bevor die Werke freilich in seinen Uhren ticken, legt der Meister noch einmal selbst Hand an. So erhalten zum Beispiel die Automatikmodelle einen speziellen handgravierten Rotor aus Messing, auf dem selbstbewusst der Namenszug „A. Mantei“ und das Hauswappen des Kleinunternehmens prangen.
Handarbeit und ein Schuss Raffinesse
Manche der Modelle aus dem Hause Mantei sind so raffiniert konzipiert, dass der Träger zunächst einmal „um die Ecke denken muss“, um die Zeit abzulesen. Doch das ist – ähnlich wie bei Uhren mit Retrograd-Anzeige oder Einzeiger-Uhren – immer nur eine Frage der Gewöhnung. Normalerweise gehen wir davon aus, dass sich der Stundenzeiger bewegt. Aber warum eigentlich? Armin Mantei trägt ein Modell aus seiner Kollektion, bei dem sich nur der Minutenzeiger bewegt. Der Stundenzeiger hingegen steht fest, dafür bewegt sich die Stundenscheibe.
Ein anderes Modell („Anakaa“) fällt gleich durch mehrere rautenförmige Fenster auf dem Zifferblatt ins Auge. Eine darunter befindliche Scheibe bewegt sich, so dass die linienförmige Struktur der Rauten auf die Stundenanzeige deutet – allerdings auch auf die gegenüberliegende Stunde, also zum Beispiel auf 10 Uhr und auf 16 Uhr. Aber um festzustellen, ob es nun gerade Vormittag oder Nachmittag ist, braucht man gemeinhin keine Uhr. Zu den optischen Highlights der Kollektion gehören ferner eine Uhr mit einem Zifferblatt aus Edelholz und eine Variante, bei der lediglich für die Lünette Holz verwendet wurde.
Im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig, aber im Grunde eigentlich logisch sind die Mantei-Uhren mit Stundenfeldern am Rand des Zifferblatts. Die 3 für „3-Uhr“ ist zum Beispiel nicht dort zu finden, wo man sie vermutet - an jener Stelle nämlich, wo normalerweise die Krone sitzt, in einem rechten Winkel unter dem „12-Uhr-Index“. Vielmehr steht die 3 exakt in dem Feld zwischen „2-Uhr“ und „3-Uhr“. Die Erklärung ist einfach: tritt der Stundenzeiger ins „3-Uhr-Feld“, hat die dritte Stunde begonnen. Pünktlich um 3 Uhr geht die dritte Stunde zu Ende, bereits eine Sekunde später bricht die vierte Stunde an.
Wer kauft solche außergewöhnlichen Uhren? „Das sind Zeitmesser für Individualisten“, klärt Armin Mantei auf. So fänden sich immer wieder Kunden – nicht zuletzt Angehörige kreativer Berufe -, die sich für diese innovative und dennoch traditionelle Form der Zeitanzeige begeisterten. „Jede meiner Kreationen ist mir ans Herz gewachsen. Ich verkaufe meine Uhren nur an Kunden, die überzeugt sind und sie wirklich haben wollen. Käme jetzt ein solventer Uhrenfreund in mein Geschäft und wollte alle verfügbaren Mantei-Uhren erwerben, würde mich das zwar außerordentlich freuen, aber ich würde mich niemals von allen meinen Stücken trennen“, sagt Armin Mantei. Doch wie würde er sich verhalten, wenn tatsächlich einmal ein Kunde die gesamte Kollektion kaufen wollte? „Er bekäme zunächst die Hälfte. Dann würde ich neue Modelle entwerfen und bauen. Anschließend könnten wir uns dann über die zweite Hälfte unterhalten“, sagt Mantei. Dass es jemals zu einem solchen Großeinkauf kommen könnte, erscheint zwar unwahrscheinlich, aber die Antwort lässt erkennen, wie eng und emotional der Uhrenbauer aus Itzehoe mit seinen Kreationen verbunden ist.
Emotionen spielten auch bei jenem Kunden eine große Rolle, der Mantei eines Tages in seinem Juweliergeschäft aufsuchte und von einem ihn sehr bedrückenden Malheur berichtete. Seine geliebte Taschenuhr, die man ihm vor langer Zeit zur Konfirmation geschenkte hatte, war im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder gekommen. Ein Auto war mit einem Rad über die Uhr gefahren – glücklicherweise auf einem etwas weicheren Untergrund und nicht auf einer asphaltierten Straße. „Der Kunde erzählte mir, wie sehr er an dieser Uhr hing. Und ich versprach ihm, diesen Zeitmesser nachzubauen. Schließlich gelang es mir sogar, die stark beschädigte Original-Uhr wieder zu reparieren“, berichtet Armin Mantei.
Uhrenfreunde, die sich einen der außergewöhnlichen Zeitmesser von Mantei gönnen möchten, verbinden den Kauf am besten mit einem Kurzurlaub in Norddeutschland und schauen nach Terminabsprache einfach mal beim Meister vorbei, der zu jeder seiner Uhren, die allesamt den Namen von Sternen („Niemand hat etwas gegen Sterne“) tragen, eine kleine Geschichte erzählen kann. Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, sich seine „Mantei“ über den Internetshop www.a-mantei.de zu bestellen.
Unser Tipp:
Einen ausführlichen Beitrag über A. Mantei sowie 12 weitere spannende Uhrmarken-Porträts (unter anderem von Tutima, Marcello C., Rainer Brand und Cimier) lesen Sie im neuen Buch von Michael Brückner: Faszination Armbanduhren, ca. 170 Seiten, illustriert, Hardcover, 14,90 Euro, erscheint Ende Juli im Pro Business Verlag. Sichern Sie sich schon heute Ihr signiertes Exklusiv-Exemplar zum Aktionspreis von 12,90 Euro inkl. Versand (nur solange Vorrat reicht). Bestellungen richten Sie bitte direkt an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Rechnungsstellung erst bei Lieferung).
Bilder: A. Mantei