Repetitionen gehören zur Hohen Schule der Uhrmacherkunst. Das „Geläut“ am Handgelenk erfreut sich dabei zunehmender Beliebtheit. Lesen Sie, was diese raffinierte Komplikation so besonders macht.
Eigentlich war schon alles gesagt. Aber eben nicht von allen. Mancher Teilnehmer an diesem zähflüssigen Meeting dachte wohl an dieses Zitat von Karl Valentin. Sobald jemand seinen Senf dazu gegeben hatte, löste das sofort heftigen Widerspruch derjenigen aus, die aus Prinzip dagegen waren.
Man kannte diese Bedenkenträger. Jeder wusste: Heute würde die Runde zu keinem Ergebnis kommen. Während draußen die Arbeit wartete, bissen sich die Diskussionen wieder einmal fest. Da hatte einer der Teilnehmer eine geniale Idee. Er fuhr mit dem rechten Zeigefinger behutsam unter seine Hemdmanschette und löste ganz diskret die Repetitionsfunktion seiner Armbanduhr aus. Sanft schlug die Uhr zuerst die Stunde und anschließend die Viertelstunde. Zarte Töne lagen plötzlich in der Luft, aber immerhin laut genug, um wahrgenommen zu werden. Unversehens war es so still im Raum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Da fiel es den Teilnehmern des Meetings wie Schuppen von den Augen: Sie saßen schon zwei Stunden und mehr als 20 Minuten zusammen.
Diese kleine Geschichte ist authentisch und belegt, welche Vorteile eine Repetitionsuhr haben kann – abgesehen von der praktischen Funktion, sich nachts sanft die Zeit schlagen zu lassen. Wer eine Repetitionsuhr sein Eigen nennt, braucht eben nicht mit einer Taucheruhr und entsprechend mit Superluminova beschichteten Zeigern ins Bett zu gehen. Wenn’s dunkel ist, einfach kurz drücken und mitzählen. Dann weiß man, was die Stunde geschlagen hat.
Üblicherweise kennt man den Stundenschlag und eventuell noch den Halbstunden-Schlag vor allem von Stand- und Stutzuhren. Diese klangen einst laut durch die Bauernhäuser, damit die Bewohner wussten, ob es Zeit zum Aufstehen war, oder sie sich noch einmal umdrehen und eine Runde weiterschlafen konnten.
Die erste Taschenuhr mit Repetition baute Edward Barlow schon im Jahr 1686, damals allerdings noch mit zwei Drückern. Einer diente zum Auslösen des Stundenschlags, der andere ließ die vergangene Viertelstunde ertönen. Später stellte Daniel Quare die heutige Form der Repetition mit nur einem Drücker vor. Der geniale Uhrmachermeister Breguet baute ab circa 1795 erstmals um das Werk gebogene Tonfedern in seine Repetitions-Taschenuhren ein. Es war die renommierte Manufaktur Audemars Piguet, die im Jahr 1892 die erste Armbanduhr mit Schlagwerk auf den Markt brachte.
Grande oder Petite Sonnerie?
Während Repetitionsuhren nur „nach Aufforderung“ – zum Beispiel durch das Betätigen eines Drückers oder Schiebers – ein akustisches Zeitsignal geben, melden sich Uhren mit Selbstschlagwerken gleichsam automatisch. Zu unterscheiden sind dabei die vor allem bei wertvollen Großuhren oft anzutreffende Grande Sonnerie – auch „Wiener Schlag“ genannt – und die Petite Sonnerie.
Die Grande Sonnerie schlägt sowohl die Stunde als auch die Viertelstunde in unterschiedlichen Tönen. Die Besonderheit: Sie wiederholt vor jedem Viertelstundenschlag die vergangene volle Stunde. Angenommen, es ist 9.45 Uhr. In diesem Fall würde eine Grande Sonnerie zunächst neun Mal die Stunde schlagen und danach in einem anderen Ton drei Mal die Viertelstunde. Die Petite Sonnerie funktioniert etwas einfacher. Sie schlägt nur die volle Stunde. Manche schlagen überdies die Viertelstunde, ohne zuvor die volle Stunde zu wiederholen.
Geläut für’s Handgelenk
Doch wie funktioniert nun eine Repetitionsuhr am Handgelenk? Was unterscheidet zum Beispiel eine Viertelstunden-Repetition von einer Fünf-Minuten-Repetition? Und was hat es gar mit einer Minuten-Repetition auf sich? In allen Fällen ist zuerst die abgelaufene Stunde zu hören. Unterstellen wir, es ist 8.26 Uhr. Dann schlägt das Hämmerchen in der Uhr achtmal auf eine Tonfeder. Anschließend erfolgt einmal ein akustisch anderer Schlag für die abgelaufene Viertelstunde. Bleibt es dabei, so handelt es sich um eine Viertelstunden-Repetition. Der Träger weiß, es ist nach 8.15 Uhr, aber noch nicht 8.30 Uhr, sonst würde der Viertelstunden-Gong zweimal ertönen. Ist es hingegen erst 8.02 Uhr, so ertönt nur der Stundenschlag, da ja keine Viertelstunde seit 8 Uhr vergangen ist.
Raffinierter (und genauer) ist hingegen die 5-Minuten-Repetition. Bei ihr ertönen maximal 11 Bim-bam-Schläge analog den 5-Minuten-Intervallen. Da zum Beispiel um 8.02 Uhr noch keine 5 Minuten seit 8 Uhr vergangen sind, ertönt kein Fünf-Minuten-Schlag. Daher gibt es höchstens 11 und nicht etwa 12 Schläge in jeder Stunde.
Die Minutenrepetition schließlich lässt auch die abgelaufenen Minuten erklingen. Es liegt auf der Hand, dass eine Minutenrepetition technisch erheblich aufwändiger ist als eine 5-Minuten-Repetition, was sich naturgemäß im Preis widerspiegelt.
In der Theorie mag die Funktionsweise einer Repetitions-Armbanduhr noch relativ einfach klingen: Ein kleines Hämmerchen schlägt gegen eine Tonfeder und erzeugt einen hellen Ton. Die Umsetzung dieser Komplikation indessen erfordert einiges an uhrmacherischer Raffinesse. So müsse der Schall aus dem Gehäuse austreten und wahrnehmbar sein, erläutert Richard Habring von der österreichischen Manufaktur Habring², die vor einiger Zeit eine Fünf-Minuten-Repetition auf den Markt brachte. Es dürfte also nicht sein, dass man seine Repetitionsuhr an sein Ohr pressen muss, um überhaupt einen Ton zu vernehmen. Mithilfe von sogenannten Schallbrücken wurde das Gehäuse der Habring²-Repetition so geschaffen, dass der Schall austreten kann und die Schläge auf die Tonfeder deutlich hörbar sind. „Die Schallübertragung funktioniert deshalb sehr gut, weil wir Erkenntnisse aus dem Musik-Instrumentenbau angewandt haben“, erläutert Habring.
In Deutschland hat sich Nivrel in Saarbrücken einen Namen als Hersteller der Fünfminutenrepetition Répétition Classique mit dem Basiskaliber 2892-A2 gemacht. Diese Repetitionsuhr ist zu dem vergleichsweise günstigen Preis von 8500 Euro zu haben. Wir fragten Dr. Anja Hofer, Chefin von Nivrel, was aus ihrer Sicht die Besonderheit von Repetitionsuhren ausmacht.
Schon Karl May schätzte Repetitionsuhren
„Die Idee, den Glockenschlag eines Kirchturms in eine Taschen- oder Armbanduhr zu bauen, stammt noch aus einer Zeit ohne elektrisches Licht und wurde bereits damals von Romanautoren wie Karl May bewundert und beschrieben“, sagt Hofer. Repetitionen gehörten zu den kompliziertesten mechanischen Uhren, die je gebaut wurden. Auf dem Zifferblatt sehe man davon meist wenig, denn ihr zusätzliches Können sei nicht sichbar, nur hörbar. „So etwas auf rein mechanischem Weg umzusetzen, ist heute, in einer Zeit elektronischer Module und Funktionsumsetzung mittels Software, faszinierender denn je“.
Repetitionsuhren von höchster Raffinesse findet man in den Kollektionen der edelsten Manufakturen, wie Breguet und Patek Philippe. In aller Regel handelt es sich dabei um Minutenrepetitionen, die zudem noch über andere Komplikationen verfügen. Zu den besonderen Leckerbissen gehört zum Beispiel die Blancpain Le Brassus, Carrousel Répétion Minutes mit Kathedralen-Schlagwerk. Für diese edlen Armbanduhren mit Geläut muss man allerdings schon eine sechsstellige Summe investieren.
Bilder: Blancpain/Nivrel